Filme und Folgen (6)

Notizen: Oktober 2018

Goliath Season 2

Die erste hatte ich seinerzeit als Weihnachtsschmöker geschaut, ideales Material für Tage im Bett (auch wenn man für diese Einbunkerung den mächtigen Winter vor der Tür selbst in den Voralpen schon eher aus der Erinnerung heraufbeschwören muss). Die zweite Staffel war nun sehr merkwürdig. Dass Los Angeles von einem mexikanischen Kartell unterwandert werden soll, ist eine interessante Idee, die allerdings beträchtlicher erzählerischer Sensibilität bedarf, um nicht in lächerliche Klischees zu geraten. Marisol Silva, eine Parade-Latina, will Bürgermeisterin von LA werden. Sie lernt Billy McBride so auffällig zufällig kennen, dass man sich lange Zeit fragt, wann die Serie den Clou dazu auspackt. Der kommt aber nie. Denn es ist tatsächlich so, dass Silva, die Agentin einer wirklich üblen Verschwörung, Billy ein paar Folgen lang an der Nase herumführt. Sie nimmt ihn nach Mexiko mit, während in LA das Unheil seinen Lauf nimmt. Die ganze Staffel ist im Grunde nur Auftakt für eine dritte, in der es dann hoffentlich zur Sache geht gegen die zynische Doppelagentin und ihren inzestuös-asexuellen Bruder Gabriel Ortega. Patty kam für mich am besten aus der Staffel heraus, ihre Geschichte mit Jeff (James Wolk, der Bob Benson aus Mad Men) darf hoffentlich noch weitergehen. Aufgesetzt wirkt das ganze Amputationsmotiv: der perverse Immobilientycoon (dem die Drehbuchleute eine öd submissive Brittany beilegen) muss schließlich selbst auf den Operationstisch. Ich bin milde gespannt, in welcher Form wir ihn wiedersehen werden. (Amazon Prime)

Romanoffs 1

Seriously? Aaron Eckhardt träumt sich durch ein Paris, das vergleichbare Träume von Woody Allen wie präzise Ethnographien von Jean Rouch wirken lässt. Eine Französin mit Kopftuch, die sich zu Recht nur widerstrebend auf eine Herkunftsfrage (okay, wenn schon nicht sie, dann doch die Familie? na, gut, Nordafrika, man sieht es ja eh) einlässt, wird schon nach einem Date (und einer Pizza) schwach (vielleicht war es auch das Motorrad des amerikanischen Romanoff), und hält zum Ende den Bauch mit einem künftigen Romaghrebnoff in einen Mondhimmel. (Amazon Prime)

Krieg der Träume 1

Die erste Folge einer neuen Serie: Einstiegs- und Ausstiegsmomente im ständigen Duell. Das hier sah mir eigentlich anfangs zu sehr nach einem typischen öffentlich-rechtlichen Prestigeprojekt aus, die russische Kosakin, die 1918 in einen Zug nach Wladiwostok gerät, begann mich dann zu interessieren, die Attraktivität der Darstellerin von Pola Negri (als Person wie als Glamourinszenierung durch die Lichtsetzung von heute) sprachen auch für Einstieg. Das Wechselspiel zwischen gedrehten Szenen und Archivmaterial funktioniert gut. (Arte Mediathek)

Deutschland 86 1

Anke Engelke heizt als Effizienzmonster der mickrigen DDR ausgerechnet an dem Tisch ein, an dem in der Serie Weißensee deren Schicksal schon besiegelt wurde (als Weltgeist Kupfer, nicht zu verwechseln mit dem Gott Kupfer aus einer Geschichte von Torberg, der gewaltsamen Niederschlagung der Volksbewegung in die Telefongabel griff). Die Requisiten für die Wiederverwertung der deutschdeutschen Geschichte im Rahmen der neuen globalen Plattformgoldräusche sind endlich. Das Sparwasser-Jersey, das ein Waisenjunge in Angola trägt, wirkt handgemacht, und ist in gewisser Weise das Schlüsselrequisit zur Serie: zugleich prä- und post-Vintage. Deutschdeutschland macht in Afrika zum Ende des Kalten Krieges hin noch ein bisschen Geopolitik, im neuen Kalten Krieg bleibt die Frage, ob nun eher Amazon oder Netflix am Ende der Ostblock sein wird. Keiner von beiden, vermutlich, aber eines ist sicher: wir sind nicht mehr das Volk. Wir sind die Menge (unserer Anschlüsse). (Amazon Prime)

Romanoffs 2

Dem Prinzip der Anthology-Serie entspricht literarisch wohl die Novellensammlung - oder doch das Heftchenabo? Die zweite Geschichte ist auch wieder ziemlich dünn, trotz einiger Außenaufnahmen auf (von?) einem Kreuzfahrtschiff. Die eigentlich interessante Spannung wird allenfalls am Rande berührt: was macht das mit Menschen, wenn sie durch eine große, tragische, grausame Geschichte „validated“ sind, also sich (als Romanoffs mit unterschiedlichen Endbuchstaben) größer (werthaltiger) fühlen könnten, als sie es in einer Gesellschaft von Gleichen sind? Michael ist jedenfalls eher ein mickriger Typ, seine Affäre mit einer schönen Frau (britischer Akzent, Typus aber slawische Melancholie) hat etwas Unwirkliches, am Interessantesten ist noch, wie alle dauernd pofeln müssen. Die Zarenfamilie als Show mit kleinwüchsigen Darstellern (und einem Zwergrasputin, der später im Bildaugenwinkel alle Klischees über die Figur zu bestätigen scheint) ist ein dubioser Folklorehöhepunkt. Irgendwie alles ziemlich käsig bisher. (Amazon Prime)

Venusberg (Deutschland 1963, Rolf Thiele)

Sieben Frauen finden sich sukzessive in einem mondänen Haus im Umland von München ein. Sie hatten alle einmal etwas mit dem Gynäkologen, der hier wohnen soll, und von dem dann die ganze Zeit die Frage ist, ob er irgendwann kommt. Der schwarze Mann, der einmal hinter den Fensterscheiben geisterhaft auftaucht, ist er aber nicht. Die Scheiben dienen Rolf Thiele für die Enthüllung der Frauen, die im Poolbereich planschen, und mit den Fingern Zeichen in das Eis malen, das die Scheiben von innen milchig (also keuschdurchsichtig) macht. Zum nächtlichen Nachtbaden tönt Brahms durch das Haus. Eine der Frauen, ein Modell, ist ihres Tuns überdrüssig, aber spiegelsüchtig. Rolf Thiele gibt am Hauptbahnhof selbst den existanzialistischen Ausrufer, seine Stimme ist später auch noch einmal aus dem Radio zu hören, da spricht jemand über „Genuss ohne Reue“. Venusberg wirkt wie eine spekulative Ableitung von Antonioni oder Bergman in ein softerotisches Kino, das sich nichts traut (aber auch nichts darf). Die interessanteste Figur ist die Ärztin Vera, gespielt von Claudia Marus in ihrer einzigen Filmrolle. (Zeughauskino, 35mm, im Rahmen der Retrospektive Wolf Wirth)

Foto: DHM Zeughauskino

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