Filme und Folgen (66)

Notizen: Februar 2024

The Morning After Sidney Lumet USA 1986

„You’re a rare dame“, sagt Turner Kendall (Jeff Bridges) zu Viveca Van Loren (Jane Fonda). Die beiden treffen einander am Flughafen LAX, wo Viveca in Panik einen Flug nach San Francisco zu buchen versucht. Sie ist an diesem Morgen neben einem Mann aufgewacht, der ein Messer im Leib hatte. Ein Fotograf von dirty pictures, spezialisiert auf glorifying the new female form (Bodybuilderinnen). Viveca ist schwere Alkoholikerin, und nun bald unter Mordverdacht, außerdem hat sie aus einer früheren Beziehung eine slasher history (so eine Zeitungsschlagzeile, die damit einen Vorfall aus der Vergangenheit deutlich übertreibt). Turner fährt einen 56er Chevy und gibt sich locker. Dass er ein Ex-Cop aus Bakersfield ist, erweist sich als hilfreich. Zur Krimi- oder Thrillerhandlung gehört auch Vivecas Noch-Ehemann Jacky, eigentlich Joaquin Manero, ein sozial ehrgeiziger Friseur, der mit seiner Firma gerade an die Börse zu gehen versucht – entgegen dem Klischee ist er nicht schwul, und bereitet gerade eine Heirat mit der Erbin sehr alten weißen Geldes vor (von der dafür erforderlichen Scheidung erfährt Viveca beiläufig).

Lumet erzählt das alles in einem leuchtenden, farblich manchmal grenzwertigen, insgesamt aber grandiosen LA-Film. Er kann sich kaum satt sehen an den Lofts und interessanten Eigenheimen, es gibt auch fantastische Innenräume, das Telefon als das Lieblingsrequisit der Ära ist Kompositionspunkt so mancher tollen Einstellung. Bridges spielt wie üblich den taffen Softie, er hat sogar eine Bibliothek mit Büchern, die er ernsthaft lesen möche („I’ll get to them“), und Viveca kriegt mit ihm allmählich wieder Boden unter die Füße.

Der Versager Eberhard Fechner BRD 1969

Großartiger Fernsehfilm über einen Angestellten einer Versicherung. Herr Bach ist Sachbearbeiter, er teilt sich eine Sekretärin mit einem jüngeren Kollegen namens Schreyvogel, der ein angrenzendes Aufgabengebiet hat. Das Büro beruht noch weitgehend auf Papier, und klassischer Aktenführung. Mit einem neuen Abrechnungssystem soll auch rationalisiert werden. Bach (47 ist „kein Alter“) gerät in eine Konkurrenzsituation mit Schreyvogel, der seine Gewinnermentalität auch noch durch ein Verhältnis mit der Sekretärin demonstriert. Zu Hause ist Bach auch unter Druck, seine Frau kommt aus Verhältnissen, die den seinen überlegen sind (die Familie wird von den Schwiegereltern bezuschusst). Er reagiert defensiv („Ich bin kein Karrieremacher“) und riskiert, neben dem Job auch den Respekt seiner Frau zu verlieren. Das Drehbuch von Herbert Knopp geht genau bis an den Tiefpunkt, in dem Bach das Wort „Versager“ zu hören bekommt, lässt ihn dann aber auch zu einem unvermuteten Comeback kommen, bei dem er soziale Kompetenz mit einigen unkollegialen Tricks kombiniert.

In jeder Hinsicht ein prägnantes Bild der konsolidierten Wirtschaftswunder-BRD in ihrer ersten Krise (1967 gab es eine Rezession), mit ihren Distinktionsritualen (ein Opernbesuch, eine Kunstausstellung), aber auch mit ihren Körpern (Horst Bollmann lauert dem Vorgesetzten, von dessen Entscheidung alles abhängt, einmal in einem öffentlichen Schwimmbad auf). „Heute sind Backfische und Halbstarke gefragt“, heißt es. Mit Bach setzt sich einmal noch das (gerade einmal ein Dutzend Jahre) alte Establishment durch. Ein Jahr später begann unser Vater in Österreich im Außendienst einer Versicherung – er wurde der «Rebhandl Franz von der Wiener Allianz», bei ihm reichte es noch für eine beachtliche Karriere, inzwischen ist die Branche sicher radikal durchrationalisiert. Kamera: Rudolf Körösi! (Deutsche Kinemathek Screener)

Oderbruch D 2024 Christian Alvart + Adolfo Kolmerer + Arend Remmers 8 Folgen

Beginnt mit einem Leichen-bzw. Kadaverhaufen, der aussieht wie eine Installation des Künstlers Mike Kelley. Eigentlich ist damit schon klar, dass das keine normale kriminalistische Ermittlung wird, die aber in großem Stil loslegt. Denn im Oderbruch, an der polnischen Grenze, ist ja sonst nicht viel los. Es werden also Container gebracht, Leute werden einquartiert. Felix Kramer spielt den Polizisten Roland Voit, der aus der Gegend kommt, und deswegen hinzugezogen wird. Er trifft auf seine Jugendliebe Maggie Kring, deren Vater zu den Verdächtigen gehört. Alles ist verdächtig in einer Post-DDR-NS-Landschaft, hinter der dann gleich schon der wilde Osten beginnt. Es dauert dann beinahe bis zur Hälfte der acht Folgen, bis sich das Vampir-Motiv so weit klärt, dass von einer normalen Ermittlung keine Rede mehr sein kann. Maggie und Roland agieren auf eigene Faust, Szenen aus der Kindheit werden mehrfach gezeigt und allmählich decodiert. Maggies Bruder Kai ist der Schlüssel zu allem.

Eine gewisse Lakonik in den Dialogen wird im deutschen Serienfernsehen immer mehr zur Marotte und in Oderbruch oft deswegen fast komisch, weil es um schwere Dinge geht: ein namenloses Gedicht in einem alten Buch, ein Starkblut, ein Wolf, der sich in ein Schaf verliebt. Dazu werden alle Katastrophen in der Gegend (Hochwasser, Landraub nach 1990, Kollektivierung nach 1945, Zweiter Weltkrieg) angetippt, sind aber neben dem tragenden Blutsuchtmotiv zu schwach, um etwas zu ergeben. Ich hätte es spannender gefunden, diese Saga anderswo zu inkulturieren als schließlich doch recht trivial ostmythologisch – eine bayerische Version hätte spannendere Grenzziehungen suchen müssen. Christian Alvart hat dem ÖRR gewaltigen Trash untergejubelt und einen wuchtigen Professionalitätsbeweis abgeliefert. Jetzt hat auch Das Erste sein Hausen - ein letzlich doch binnenkoloniales Ding für den Plattform-Weltmarkt. (ARD Mediathek)

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